Angenommen, der Autor dieser Zeilen hätte diesen Text nicht auf seinem Mac, sondern auf dem iPad geschrieben – dann hätte sich die Frage nach der idealen App dafür gestellt. Natürlich hätte er zu einer Textverabeitungs-App à la Pages oder Word greifen können, aber das wäre eindeutig zu viel des Guten gewesen. Textverarbeitungs-Apps richten sich an Büroarbeiter, die damit Briefe und dergleichen nicht nur tippen, sondern auch gestalten und drucken möchten. Dafür bringen sie eine Vielzahl von Layoutmöglichkeiten mit, binden Bilder ein und operieren mit unzähligen Zeichensätzen. Das führt zu riesigen Dateien, und die Vielzahl an Features verstellt den Blick fürs Wesentliche. Der Einsatz von Textverarbeitungs-Apps für solche Zwecke nervt schon, wenn man nach dem Start der App erst mal nach einer Vorlage gefragt wird.
Dabei gibt es genug Anwendungen für das geschriebene Wort, bei denen die Gestaltung entweder komplett unwichtig ist oder erst später stattfindet – wie etwa bei diesem Artikel, bei einem Programmtext oder bei einem Beitrag für einen Blog oder Ähnliches im Internet. Hier zählen Hilfen bei der Texteingabe in Form von besseren Wörterbüchern, flexible Im- und Exportmöglichkeiten für Texte und unter Umständen auch Unterstützungen für Auszeichnungssprachen, HTML oder einzelne Programmiersprachen.
Riesige Vielfalt
Eines vorweg: Es gibt nicht die eine Super-App, die alle denkbaren Bedürfnisse von der simplen Textnotiz bis zum ordnungsgemäß formatierten Quelltext für Programme beherrschen würde. Das Angebot an Texteditoren im App Store ist verblüffend umfangreich und bietet vom denkbar einfachsten Editor bis hin zum genau auf einzelne Bedürfnisse zugeschnittenen Spezialprogramm für jeden etwas. Da finden sich Apps für Buch- oder Drehbuchautoren, HTML-Editoren oder Apps für simple und verbreitete Auszeichnungssprachen wie etwa Markdown. Doch keine App kann alle Bedürfnisse gleichzeitig befriedigen, und daher ist es sehr wahrscheinlich, dass jeder Anwender seine eigene, auf die spezifischen Bedürfnisse zugeschnittene Wahl treffen muss.
Schreiben wie ein Profi
Einer der entscheidenden Punkte, bei dem sich gute Texteditoren von Textverarbeitungen und vielen anderen Apps abheben können, ist die Bedienung. Damit ist die Möglichkeit gemeint, Text effizienter einzugeben, einfach darin navigieren zu können und bei Korrekturen gut unterstützt zu werden. Bei der reinen Eingabe kommt man mit etwas Übung ja sehr gut mit der Bildschirmtastatur des iPad zurecht, und seit iOS 8 automatisch Worte vorschlägt, ist ganz allgemein die Texteingabe etwas einfacher geworden. Vergleicht man das allerdings mit Mac oder PC, sieht das iPad ziemlich alt aus: Da gibt es zum einen echte Tasten statt des Touchscreens, zum anderen aber auch Cursortasten und eine Maus zum Navigieren im Text.
Am iPad lässt sich natürlich auch eine Bluetooth-Tastatur anmelden, deren Cursortasten genutzt werden können, doch auch damit ersetzt das iPad keinen PC, denn hier fehlen nicht nur die Wortvorschläge, sondern leider auch gleich die Rechtschreibkorrektur. Letztere hilft allerdings nur bei natürlicher Sprache, bei Programm-Quellcode oder Ähnlichem stört sie beinahe mehr, als sie nützt.
In die Tasten hauen
Da ist die Bildschirmtastatur oft die praktischere Alternative. Seit iOS 8 erlaubt Apple auch Tastaturen von Fremdanbietern, doch die meisten Texteditoren gab es schon vorher, und so haben sich die Hersteller alle Mühe gegeben, die Standardtastatur um eigene Sonderzeichen und Bedienelemente zu ergänzen. Und hier heben sich einige Apps deutlich aus der Masse heraus, indem sie in einer zusätzlichen Zeile häufig benutzte Sonderzeichen und vor allem auch Cursortasten einblenden, mit denen es viel einfacher ist, zu bestimmten Stellen im Text zu springen, als es mit der Fingerspitze und Lupe geht. Manche Apps bieten darüber hinaus auch andere Springtasten zum nächsten Wort, Seitenende und dergleichen mehr, die das Arbeiten mit Texten drastisch vereinfachen können. Einziger Nachteil ist, dass umso weniger Platz für den eigentlichen Text übrig bleibt.
Kommunikation
In einem sind sich klassische Texteditoren bemerkenswert einig: Sie verschmähen den Im- und Export von Dateien in Office-Formaten wie etwa „.doc“, dafür aber haben sich fast alle die Kommunikation in der Cloud auf die Fahnen geschrieben. Der am häufigsten unterstützte Cloud-Speicher ist Dropbox, doch auch iCloud und andere Dienste werden oft als einfachste Möglichkeit angeboten, Texte für mehrere Personen und Geräte bereitzustellen. Was ebenfalls praktisch immer klappt, ist das Öffnen von Textdateien aus Mail oder anderen Apps heraus sowie das Verschicken der Dateien über diese Kanäle.
Markdown
Einer der wichtigsten Einsatzzwecke für Texteditoren ist das Schreiben von Inhalten für Websites, Blogs und andere Internet-Verwendungen. Um den Text passend zu formatieren, müsste man theoretisch HTML-Code schreiben, doch dazu gibt es Alternativen in Form einiger Auszeichnungssprachen, von denen Markdown wohl die populärste ist.
Markdown ist deshalb so praktisch, weil man sehr einfach Textformatierungen einfügen kann, ohne dass der Text wie ein typischer Quelltext aussieht und dadurch unlesbar würde. So markiert ein doppelter Zeilenschalter einen Absatz, ein „*“ oder eine Ziffer am Anfang einer Zeile einen Punkt in einer Liste, und ein oder mehrere Doppelkreuze („#“) markieren Überschriften. Importiert man so geschriebene Texte in Blogs und dergleichen, werden Texte automatisch interpretiert und in „echtes“ HTML übersetzt.
Viele Editoren für das iPad bieten umfassende Unterstützung für Markdown-Texte. Dazu gehört zunächst eine Layout-Vorschau, die bei Editorial besonders leicht durch simples Wischen, bei anderen Apps per Menü erreichbar ist. Manche Apps exportieren Texte direkt an Blog-Dienste, und fast alle können den formatierten Text auch als Mail verschicken – nicht nur als Anhang, sondern direkt als formatierten (HTML-)Textinhalt, sodass sich endlich auch vom iPad aus besser gestaltete Mails verschicken lassen.
Was leider nicht jeder Markdown-Editor beherrscht, ist allerdings der Export von Inhalten als HTML-Code, den man überall da brauchen kann, wo die empfangende Software Markdown eben nicht beherrscht. Ebenfalls selten findet sich die Fähigkeit, PDFs oder andere Dateiformate zu generieren.
Editor’s Choice: Byword
Eines wurde uns beim Ausprobieren der verschiedenen Editoren schnell klar: Viel mehr als funktionale Vielfalt und umfassende Möglichkeiten zählt bei Editoren der Geschmack und die Bedienung. Kommt man mit der Tastatur klar? Ist alles dabei, was man braucht?
Dokumentieren wir einmal den diesmal wirklich nicht einfachen Entscheidungsweg: Markdown-Unterstützung ist eine prima Sache – eben nicht nur für Blogger, sondern für jeden, der zumindest etwas Formatierung in seinen Texten möchte und dabei auch auf dem Rechner lieber die Tastatur als Maus und Menüs benutzt. Damit scheiden unter den fünf Apps, die am Ende in die engere Wahl kamen, die genial einfache Notiz-App Daedalus Touch und das ansonsten mächtige Textkraft schon mal aus, bleiben aber gute Alternativen für reine Textarbeiter.
Danach entscheidet dann eben wirklich der Geschmack: Editorial gibt sich extrem mächtig – bis hin zu Workflows, die sich mit der Skript-Sprache Python programmieren und nutzen lassen. Doch auf der Tastatur vermissten wir schnell die bei anderen Apps so nützlichen Cursortasten zum Navigieren. Und so blieben nur noch zwei: iA Writer unterlag am Ende nur knapp, denn schließlich machte das schon seit Langem bekannte Byword das Rennen, weil es simpler und stringenter zu bedienen ist, vor allem bei der Verwaltung von Dateien, die sich auch als PDFs oder HTML-Quelltexte exportieren lassen.
(Macwelt/ad)