Tektonische Verschiebungen in der Arbeitswelt
Industrie 4.0 - Fertigung und IT wachsen zusammen
Dezentrale Fertigung und individualisierbare Produkte
Plötzlich meldet sich ein guter Kunde mit einem höchst eiligen Sonderwunsch. Er benötigt 500 Produkte, beispielsweise Kurbelwellen. Die Produktion arbeitet gerade an einem Auftrag für einen anderen Abnehmer mit einer Losgröße von 10.000 Stück. Im Normalfall ist es fast unmöglich, den Sonderauftrag in die laufende Produktion einzuschleusen, ohne dass immense Kosten entstehen. Es gilt die Regel: Je mehr identische Produkte im Fertigungsfluss, umso geringer fallen die Kosten aus (Economies of Scale). In der 4.0-Produktion wären dagegen sogar Losgrößen von eins, also Unikate, machbar. Eine individuelle Fertigung erscheint nun möglich.
Dafür wird ein Rohling mit einem Chip ausgestattet und sucht sich selbständig seinen Weg durch die Produktion. Auch wenn keine Maschine für die volle Bearbeitungszeit zur Verfügung steht, hilft sich der Rohling, indem er die Leerlaufzeiten an anderen Maschinen nutzt. Das Unikat wird rechtzeitig fertig. Die Industrie beschreitet eine Schleife von der Einzel- zur Serienfertigung zurück zur Einzelfertigung - Letztere ohne Produktivitätsverlust.
Heute werden die Abläufe noch zentral von der Produktionsleitung gesteuert und von der Arbeitsvorbereitung koordiniert. Im nächsten Jahrzehnt - im Zeitalter von Industrie 4.0 - geht die Initiative vom Werkstück beziehungsweise dem eingebetteten Chip aus. In diesem ist das Fertigungsprogramm für die Maschine nebst virtuellen Zeichnungen gespeichert. Das Produkt dient als Informationsträger, auf dem alle Prozessparameter niedergelegt sind. So wird auch die von der Norm ISO 9001 geforderte Rückverfolgbarkeit von Produkten bestens gewährleistet. Das Werkstück steuert sich selbst durch die Produktion - wir steuern in das Zeitalter dezentraler Fabrikation.
In der "integrierten 4.0-Fabrik" wird nicht mehr sequentiell, also der Reihe nach, gearbeitet, wie man es vom Fließband kennt, sondern entkoppelt, flexibel und integriert. Die Fabrik der Zukunft besteht aus Fertigungsinseln, Anlagen oder Robotern, die eine Vielzahl von Operationen ausführen können. Die Kommunikation erfolgt funk-gesteuert über das Internet, da eine Verkabelung der Fabriksysteme angesichts der Menge kaum praktikabel wäre. Der Materialtransport funktioniert über funk- und sensorgesteuerte Transportsysteme.
Diese Beschreibung zeigt deutlich einen Paradigmenwechsel. Hierfür hat sich mittlerweile der Begriff Industrie 4.0 in der Branche durchgesetzt. Die IT-affine Nummerierung weist auch auf den Charakter der 4.0-Version industrieller Fertigung hin. Sie wird nicht durch Wasser- und Dampfkraft oder Elektrizität getrieben, sondern durch Informations- und Kommunikationstechnik sowie das Internet.
- Internet der Dinge und M2M
Industrie 4.0, M2M und das Internet der Dinge sind unterschiedliche Themen mit gleichem Hintergrund: Bessere Vernetzung, zunehmende Miniaturisierung und fallende Hardwarekosten bereiten den Boden für sich selbst verwaltende Systeme. - Internet der Dinge und M2M in Gartners Hype Cycle:
Während die Umsetzung des „Internet der Dinge“ nach Gartner-Einschätzung noch weit entfernt erscheint, könnte die M2M-Kommunikation in fünf bis zehn Jahren zum praktischen Einsatz kommen. Erste Projekte gibt es heute bereits, wie in Blick auf Beispielen aus verschiedenen Branchen zeigt. - Call a Bike:
Wer ein Fahrrad der Deutschen Bahn am Wegesrand sieht und es ausleihen möchte, wählt die darauf angegebene Nummer und bekommt eine Öffnungsnummer mitgeteilt. Schon kann man losradeln, einmalige Anmeldung vorausgesetzt. - John Deere:
In seine Mähdrescher packt der Landmaschinenhersteller die Rechen-Power von acht PCs. Via GPS lassen sich Geräte spurgenau steuern. Eine Vielzahl von Sensoren sollen drohende Probleme frühzeitig melden, damit die Maschinen nicht während der Erntezeit ausfallen. - GAP:
Die Modekette GAP begrüßt in einigen Warenhäusern auf Bildschirmen im Ein- und Ausgangsbereichen Kunden mit persönlichen Nachrichten. Erkennungsmerkmal ist das mitgeführte Smartphone. - Telemedizin:
Vitalparameter werden mittels Körperscanner gemessen und dem behandelnden Arzt übermittelt. So können beispielsweise Krankenhauszeiten verkürzt werden. - DriveNow:
BMW hat das Geschäftsmodell Autoverkauf und die Autovermietung erweitert. In einigen deutschen Städten gibt es BMW-Fahrzeugflotten die registrierte Nutzer über Smartphone-App orten, reservieren und mieten können. - Smart Energy:
Das intelligente Energie-Management beschränkt sich nicht auf die Energiemessung, sondern steuert den Energieverbrauch je nach Angebot.