Echtzeitdienste sind keine Fiktion

Differentiated Services: Ressourcen nach Klassen

Das Diff-Serv-Modell umschifft die Hürde der Skalierbarkeit von integrierten Services, indem es Ressourcen anhand der Verkehrsklasse reserviert. Ein IP-Paket wird bei Eintritt in das Netz einer Klasse zugeordnet und dann anhand vorgegebener Regeln gemäß den Anforderungen seiner Serviceklasse weitertransportiert.

Zur Klassifizierung wurde bereits 1981 im RFC 791 ein Teil des "Type-of-Service"-Oktetts (Tos) im IP-Header vorgesehen: die drei "IP Precedence"-Bits. Im Rahmen der Standardisierung von Diff-Serv stellte sich jedoch heraus, dass die damit möglichen acht Verkehrsklassen nicht ausreichten. Deshalb wurden die bislang kaum verwendeten anderen Teile des Tos-Felds komplett umgewidmet. Das nun als "Diffserv Field" bezeichnete Tos-Oktett bietet nun im "Diffserv Code Point" aufwärtskompatibel zur "IP Precedence" sechs Bit zur Klassifizierung. Die übrigen zwei Bit sind reser-viert, werden aber gegenwärtig nicht genutzt.

Auf Grundlage der 64 Serviceklassen, die IPv4 und IPv6 bereitstellen, wurden einige der pro Hop gültigen Verhaltensregeln ("Per Hop Behaviour" = PHB) standardisiert. Den Herstellern bleibt überlassen, wie sie die Norm in ihre Produkte einbauen. Jede Implementierung unterstützt zumindest das Best-Effort-PHB.

Das "Expedited Forwarding"-Verfahren wurde für Echtzeitverkehr wie Sprache über IP entworfen. Es räumt einem Sprachpaket Vorrang vor anderen Daten in einer Warteschlange ein. Der Haken dabei ist, dass Voice over IP zum Datentransfer das User Datagram Protocol (UDP) nutzt. TCP-Anwendungen müssen deshalb vor dem "Aushungern" geschützt werden, indem die Bandbreite, die UDP-Daten zur Verfügung steht, auf einen Maximalwert beschränkt wird. Ein weiteres Übertragungsverfahren im Rahmen von Diff-Serv ist das "Assured Forwarding". Es optimiert das Best-Effort-Verhalten für TCP-Anwendungen. Auf diese Weise lassen sich "Olympische Dienste" (Gold, Silber, Bronze) einrichten. Der Standard sieht insgesamt vier Verkehrsklassen mit jeweils drei Unterklassen vor.

Um Differentiated Services einzurichten und zu überwachen, sind spezielle Werkzeuge erforderlich, etwa für die Klassifizierung, das Metering oder das Einrichten von Policies. Hinzu kommen Tools, mit denen sich Warteschlangen und Überlastsituationen im Kern des Netzes steuern lassen. Auf diese Werkzeuge gehen wir in einem eigenen Beitrag ein. Skalierbare Diff-Serv-Implementierungen sind seit Ende 1997 auf Basis von "IP Precedence" beziehungsweise seit 1999 auf Grundlage von "Diffserv Code Points" verfügbar. Das Verfahren wird sowohl in den Netzen von Serviceprovidern als auch Enterprise Networks eingesetzt.